Von Bienen, Banken & Brüsseler Bürokraten: Was bedeutet Artenschutz für die Finanzbranche?

Shownotes

In dieser Episode des Sound of Finance Podcasts steht die Biodiversitätskrise im Fokus – ein Thema, das oft im Schatten der Klimakrise steht, aber weitreichende ökonomische und ökologische Konsequenzen hat. Gemeinsam mit Dr. Johannes Branahl, Berater bei zeb und einer der Studienautoren, diskutiert Dr. Madita Pesch, ebenfalls Beraterin im zeb, die Rolle von Banken und Finanzinstituten als Mitverursacher, aber auch als Teil der Lösung. Die wirtschaftliche Bedeutung intakter Ökosysteme ist enorm – sie werden auf etwa 150 Billionen US-Dollar geschätzt. Ihr Verlust zwingt uns, natürliche Leistungen künstlich zu ersetzen, was immense Kosten verursacht. Doch im Gegensatz zur Klimakrise gibt es weniger Bewusstsein, politische Aufmerksamkeit und standardisierte Messgrößen für den Biodiversitätsverlust. Das erschwert die Umsetzung von Gegenmaßnahmen. Ein weiteres zentrales Thema ist die Wechselwirkung zwischen Biodiversität und Klimawandel. Beispielsweise bedrohen nicht nur Abholzung, sondern auch klimatische Veränderungen den Amazonas-Regenwald. Gleichzeitig helfen gesunde Ökosysteme wie Wälder und Moore, CO₂ zu binden und somit den Klimawandel zu bremsen. Für den Finanzsektor stellt sich die Frage: Wie lassen sich biodiversitätsbezogene Risiken messen, bewerten und in Geschäftsstrategien integrieren? Regulatorische Anforderungen, etwa aus Brüssel, werden hier künftig eine größere Rolle spielen.

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Transkript anzeigen

00:00:00: Music.

00:00:07: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Episode von Sound of Finance, dem Podcast von ZDB.

00:00:12: In dieser Episode befassen wir uns mit einem Thema, das die Grundlage allen

00:00:16: Lebens auf unserem Planeten betrifft, und zwar die Biodiversität,

00:00:20: die Vielfalt des Lebens.

00:00:22: Während die Klimakrise in aller Munde ist, spielt sich parallel eine mindestens

00:00:26: ebenso bedrohliche Krise ab.

00:00:28: ZDB hat sich dieses Themas angenommen, um in einer Studie einen zentralen Aspekt

00:00:32: der Biodiversitätskrise zu beleuchten. Die Rolle der Finanzwelt und insbesondere der Banken.

00:00:38: Wie tragen Banken und Finanzinstitute zur Krise bei und wie können sie gleichzeitig Teil der Lösung werden?

00:00:44: Welche regulatorischen Anforderungen, welche Reputationsrisiken,

00:00:48: welche Rendite- und Kreditausfallrisiken bringt diese Krise mit?

00:00:52: Mein Name ist Madita Pesch, ich bin Beraterin im ZDB und spreche dazu heute mit Dr.

00:00:57: Johannes Branal, Senior Consultant in der Embedded Research Abteilung des ZDB.

00:01:02: Hallo Johannes, schön, dass du heute bei uns zu Gast bist. Hallo Madita,

00:01:07: vielen Dank für die Gelegenheit, über so ein wichtiges Thema hier zu sprechen.

00:01:10: Johannes, wenn ich jetzt noch nie vom Thema Biodiversitätskrise gehört habe,

00:01:14: was muss ich wissen und vor allem vielleicht schon mal so ein bisschen zugespitzt

00:01:19: durch die Brille des Ökonomen betrachtet?

00:01:21: Ja, ich glaube, es ist gerade durch die Brille des Ökonomen betrachtet ein spannendes

00:01:26: und wichtiges Thema, was viel zu wenig Aufmerksamkeit aktuell noch bekommt.

00:01:30: Fangen wir direkt mal mit der ökonomischen Brille an.

00:01:33: Als Ökonom muss man die Dienstleistungen von intakten Ökosystemen ein Stück

00:01:40: weit als vermögenswert begreifen.

00:01:41: Wir haben das produzierte Kapital auf der einen Seite, das Humankapital auf

00:01:45: der anderen Seite, aber diese dritte Säule, das Naturkapital.

00:01:50: Wird in der Regel kaum in ökonomische Überlegungen mit einbezogen.

00:01:55: Und diese Biodiversität, die zieht sich durch alle Größenskalen,

00:02:01: durch viele Branchen und durch viele Ökosysteme dieser Welt.

00:02:06: Und es ist eine unglaublich vielschichtige Krise. Es gibt im Gegensatz zur Klimakrise

00:02:11: jetzt nicht diese eine Krisenursache und diese eine Krisenauswirkung,

00:02:17: sondern es ist ein extrem komplexes, kausales Netz.

00:02:20: Es fängt vielleicht an bei der, ja, die Biene ist so ein bisschen die symbolpolitische

00:02:27: Sperrspitze von der Biodiversitätskrise geworden.

00:02:31: Das wird der Gesamtheit der Krise eigentlich nicht gerecht. Also klar,

00:02:35: die bestäubenden Insekten und allgemeiner noch die fruchtbaren Bögen auf Ebene

00:02:40: der Mikroorganismen ist schon ein entscheidender Teil dieser Krise,

00:02:44: insbesondere für die Landwirtschaft.

00:02:45: Aber die Marienlebensräume beispielsweise sind,

00:02:49: Die Wasserkreisläufe, Wälder, Ozeane, Moore als CO2 senken oder auch auf einer

00:02:55: ganz molekularen Ebene die genetische Vielfalt als Inspiration für die Pharmaindustrie.

00:03:01: Es zieht sich wirklich durch alle Zweige der Weltwirtschaft.

00:03:05: Und ja, wenn diese Ökosysteme diese Dienstleistungen nicht mehr erbringen können,

00:03:10: die wir ja gratis beziehen, so ein Stück weit auch als gottgegeben hinnehmen.

00:03:15: Dann müssen die ersetzt werden.

00:03:16: Das heißt, es gibt einen enormen wirtschaftlichen Wert all dieser Ökosystemleistungen.

00:03:21: Man kann das so roundabout auf 150 Billionen US-Dollar beziffern.

00:03:25: Und das bedeutet auch, wenn diese Ökosystemleistungen nicht mehr erbracht werden

00:03:29: können, dann müssen sie irgendwie anthropogen ersetzt werden.

00:03:33: Du kennst vielleicht da diese dystopischen Bilder aus China,

00:03:37: wo von Menschenhand Apfelbaumblüten bestäubt werden müssen oder derartige Bilder.

00:03:44: So wie du das formulierst und schilderst, klingt das ja sehr danach,

00:03:49: dass es eben ein riesengroßes Thema ist.

00:03:52: Dann frage ich mich aber, wenn man schaut, im kollektiven Bewusstsein angelangt,

00:03:57: ist ja das Thema Klimakrise, Klimawandel irgendwie viel stärker als die Biodiversitätskrise.

00:04:03: Wie kommt das? Was meinst du? Ja, also ich glaube, es gibt noch wenige Lobbygruppen,

00:04:11: die auf dieses Thema aufmerksam machen.

00:04:13: Also dieses Fridays-for-Future-Momentum beispielsweise, das fehlt in dieser

00:04:18: Krise noch vollständig. Was einerseits daran liegen wird, dass es eine sehr

00:04:22: schleichende und stille Krise ist.

00:04:25: Die Klimakrise kommt dagegen mit Waldbränden daher, mit verstärkten Hurricanes,

00:04:30: mit einem steigenden Meeresspiegel.

00:04:31: Das heißt, die ist viel unmittelbarer in unserem Alltag bereits angekommen.

00:04:37: Und gerade das macht natürlich die Biodiversitätskrise enorm gefährlich.

00:04:41: Man kann es gut schaffen, völlig unbeeindruckt von dieser Krise durchs Leben

00:04:46: zu gehen und erst dann davon zu bemerken, wenn es wirklich viel zu spät ist.

00:04:50: Weil was erstmal ausgestorben ist, das können wir zumindest nach jetzigem Stand nicht reproduzieren.

00:04:56: Was würdest du denn sagen, wie kann man jetzt diesen Verlust,

00:05:00: du hast es gerade auch schon genannt, Biodiversitätsverlust,

00:05:03: wie kann man das genau messen, wie kann man das genau nachhalten?

00:05:06: Bei der Klimakrise ist es einfach, nicht wahr?

00:05:08: Da gibt es CO2, das ist monokausal und es gibt noch einige weitere Treibhausgase,

00:05:14: die dann in CO2-Äquivalente umgerechnet werden können.

00:05:17: Das heißt, es gibt eine einzelne Einheit, mit der ich das ganze Ausmaß des Desasters bemessen kann.

00:05:25: Und bei der Biodiversitätskrise…

00:05:27: Gut, da muss man natürlich teilweise regional differenzieren von Ökosystem zu Ökosystem.

00:05:34: Hinzu kommt, dass auch wissenschaftlich noch gar nicht so ganz klar ist,

00:05:37: wie diese Ökosysteme überhaupt miteinander wechselwirken, sich gegenseitig am

00:05:43: Leben erhalten oder auch gegenseitig schädigen können, sobald sie nicht mehr intakt sind.

00:05:47: Das heißt, so eine One-Size-Fits-All-Lösung, die ist ganz schwierig zu definieren.

00:05:54: Es gibt einige Verfahren.

00:05:57: Der ökologische Fußabdruck ist vielleicht auch durch die Medien relativ gut

00:06:01: bekannt geworden, wo man dann feststellen kann, okay, wenn wir alle leben wie

00:06:05: der durchschnittliche US-Amerikaner, dann bräuchten wir fünf Erden.

00:06:09: Wenn wir so leben wie der Äthiopier, dann bräuchten wir 0,6 Erden,

00:06:13: um in einem regenerativen Kreislauf zu bleiben.

00:06:17: Das ist, glaube ich, eine erste gute Indikation. Aber man kann nicht alle Facetten

00:06:22: dieser Krise über diesen Kamm scheren.

00:06:23: Und das macht es umso schwieriger, auch Unternehmen in die Pflicht zu nehmen,

00:06:29: weil man einfach nicht die einzelne Zahl benennen kann.

00:06:31: Also um ein Beispiel zu nennen, es gab eine Volksabstimmung Ende letzten Jahres

00:06:37: in der Schweiz zu Maßnahmen zur Biodiversität und so richtig und wohlmeinend

00:06:42: dieses Vorhaben auch war,

00:06:45: so schwer war es der Bevölkerung vermittelbar und auch der Politik vermittelbar,

00:06:50: mangels konkreter Zahlen oder es wurden einige Zahlen genannt,

00:06:54: die aber stark in Zweifel gezogen werden konnten.

00:06:57: Ja, die Metrik ist mit enormen Unsicherheiten behaftet. Wenn wir jetzt mal schauen,

00:07:02: Johannes, wie sich Biodiversitätsverlust auf bestimmte Branchen auswirkt,

00:07:07: was würdest du sagen, wo kann man das spüren?

00:07:11: Ich glaube, sehr offensichtlich ist es beim Thema Land- und Forstwirtschaft.

00:07:15: Wenn wir bei der Landwirtschaft bleiben, hatte ich eingangs schon das Beispiel

00:07:18: der Bestäubung genannt, aber auch die Bodendegradation ist, glaube ich,

00:07:22: ein Punkt der Biodiversität,

00:07:24: den viele übersehen, dass es Kleinstlebewesen im Boden sind und Mikroorganismen,

00:07:29: die es überhaupt erst ermöglichen, dass darauf Nutzpflanzen wachsen können.

00:07:35: Und so eine Degradation, die kann ziemlich schnell vonstatten gehen und dazu führen,

00:07:41: dass die Erträge binnen weniger Jahre um ein Vielfaches zurückgehen und das

00:07:48: sind natürlich bedrohliche Überlegungen, wenn man das zu Ende denkt.

00:07:52: Johannes, jetzt haben wir uns dem Thema allgemein genähert.

00:07:56: Jetzt hatten wir ja auch schon angeteasert, dass wir uns die Perspektive der

00:08:01: Finanzinstitute auch nochmal anschauen wollen.

00:08:04: Und da dann auch direkt mal die Frage, warum sollten sich denn Banken bzw.

00:08:09: Finanzinstitute deiner Meinung nach überhaupt für das Thema Biodiversität interessieren?

00:08:14: Ja, da gibt es eine Vielfalt an Gründen, würde ich sagen.

00:08:18: Zum einen kann es ihnen natürlich aufgezwungen werden. Da werden wir später

00:08:21: bestimmt nochmal konkreter werden, wenn es aus Brüssel diktiert wird oder vielleicht

00:08:25: auch auf nationaler Ebene, eine Umwandlung in nationales Recht.

00:08:30: Der zweite Punkt ist ein eigenes wirtschaftliches Interesse.

00:08:33: Also es gibt ja wieder diese beiden Faktoren, wie man das beispielsweise auch

00:08:38: in der Klimakrise bemessen würde, Impact und Dependencies auf die Biodiversität

00:08:44: von der Biodiversität respektive.

00:08:48: Das kann der Gestalt sein, dass ich Eigenanlagen habe oder dass ich Asset-Manager

00:08:52: bin und mit Renditeverlusten rechnen muss in bestimmten Asset-Allokationen,

00:08:58: die in Branchen gehen, die eben exponiert sind in der Biodiversitätskrise.

00:09:03: Das kann aber auch auf Seiten der Kreditvergabe stattfinden,

00:09:06: wenn ich beispielsweise Kredite in die Landwirtschaft vergebe und die Sicherheiten,

00:09:10: die ich im Gegenzug bekomme,

00:09:12: die Böden sind, die Flächen und der Wert dieser Sicherheiten extrem bedroht

00:09:17: ist durch die Biodiversitätskrise,

00:09:20: naja, dann muss ich vielleicht diese zusätzlichen Kreditausfallrisiken neu bepreisen.

00:09:24: Dann reicht es, nicht nur die Klimakrise mit einzubeziehen, sondern dann werden

00:09:28: auch Biodiversitätsrisiken schlagend.

00:09:30: Und der dritte Punkt, wenn wir vielleicht die ethische Verantwortung des Kapitals

00:09:36: mal ausklammern wollen an der Stelle, ist der dritte Punkt, das Reputationsrisiko.

00:09:40: Also unabhängig davon, dass die Pflicht aus Brüssel noch bisher relativ überschaubar

00:09:45: war, das ändert sich jetzt.

00:09:48: Sind viele Finanzinstitute bereits in Vorleistung gegangen und haben sich überlegt,

00:09:53: was können wir denn mehr machen, als überhaupt schon gefordert ist und wie können

00:09:57: wir da vor der Welle schwimmen und das ist durchaus bemerkenswert.

00:10:00: Wenn wir unsere Tournee durch die Dachregionen gerade noch durchführen,

00:10:07: stellen wir auch immer mal wieder fest, wow,

00:10:09: die sind schon sehr weit, denen können wir aktuell nichts mehr oder kaum noch

00:10:12: etwas beibringen, höchstens noch so strategische Überlegungen,

00:10:15: aber erstmal die Status-Quo-Analyse,

00:10:18: wo seid ihr exponiert und welche Branchen sind problematisch,

00:10:22: die ihr unterstützt oder in die ihr investiert.

00:10:25: Da wurde tatsächlich schon sehr viel, ich glaube seit 2023, das war so ein Schlüsseljahr unternommen.

00:10:33: Du hattest es gerade auch schon angesprochen, dass sich da auch gerade von der

00:10:36: Gesetzgebung her Veränderungen ergeben.

00:10:39: Gibt es jetzt schon gesetzliche beziehungsweise regulatorische Anforderungen

00:10:43: beziehungsweise kommen die jetzt auch nach und nach, treten jetzt nach und nach in Kraft?

00:10:50: Ja, da begeben wir uns jetzt so ein bisschen in diesen Brüsseler Abkürzungsdschungel,

00:10:55: der auch für Experten kaum noch zu überblicken ist.

00:10:58: Und in der Tat gab es dieses Thema Biodiversität schon in diesem Bereich ESRS E4.

00:11:05: Da wurde gefordert, dass man zumindest in Prosa über die bisherigen Aktivitäten

00:11:14: zur Beherrschung der Biodiversitätskrise berichtet.

00:11:17: Das wurde fairerweise oft nicht so ganz ernst genommen.

00:11:22: Da wurde beschrieben, dass man ein Insektenhotel auf seinem Bankendach hat in

00:11:25: 100 Metern Höhe, wo sich nie ein Insekt hin verirren wird. Und ja,

00:11:30: das Thema hatte da noch keine besondere Relevanz.

00:11:33: Der European Green Deal, der aus Brüssel hervorging, der sieht aber eine deutlich

00:11:39: ernsthaftere Behandlung dieses Themas vor.

00:11:42: Und diesem Thema wurde jetzt auch Gehör verschafft.

00:11:47: Die neue EBA-Guideline, wir haben das perfekte Timing gerade,

00:11:50: ist jetzt Anfang Januar rausgekommen.

00:11:53: Da gab es schon die ersten Entwürfe, wo absehbar war, okay,

00:11:57: alles, was unter E wie ESG fällt, muss demnächst auch separat quantifizierbar

00:12:03: sein, nicht nur die Klimakrise, sondern auch andere ESG-Kerenthemen wie die

00:12:08: Biodiversitätskrise, wie die Kreislaufwirtschaft.

00:12:10: Da müssen demnächst Zahlen geliefert werden, was Risikoexposition angeht.

00:12:17: Status quo-Analysen nach Branchen beispielsweise, nach Geografie.

00:12:22: Das verschärft sich. Was heißt demnächst? Für systemrelevante Banken scheint es auf den 11.

00:12:30: Januar 2026 hinauszulaufen. Für die kleineren Institute gibt es noch ein weiteres Jahr Aufschub, 2027.

00:12:40: Johannes, wie können Banken denn

00:12:42: Biodiversitätsrisiken identifizieren und bewerten? Gibt es da Tools bzw.

00:12:48: Standards, die bereits angewendet werden?

00:12:50: Ja, die gibt es. Es gibt eine Vielzahl von Tools, die aktuell noch miteinander konkurrieren.

00:12:57: Es haben sich einige so ein bisschen durchgesetzt, die auch von der EU empfohlen werden.

00:13:02: Man kann nach Branche analysieren, die Impacts und die Dependencies.

00:13:06: Beide Seiten über das Tool Encore wurde durch eine NGO entwickelt,

00:13:13: die ziemlich detailreich, würde ich sagen,

00:13:16: Scores verteilt, die den jeweiligen Einfluss auf die Biodiversität oder die

00:13:21: Abhängigkeiten von der Biodiversität nach Branche beziffern sollen.

00:13:26: Das heißt, man kann sich so eine Heatmap dann anlegen.

00:13:31: Branche für Branche und bekommt schon mal einen ganz guten Eindruck.

00:13:35: Was da allerdings ausgespart wird, ist die regionale Differenzierung.

00:13:40: Und wir sprachen ja schon darüber, dass die Klimakrise ein globales Phänomen

00:13:45: ist, findet überall gleichermaßen statt.

00:13:47: Bei Ökosystemen muss man einfach regional differenzieren. Da gibt es unterschiedliche

00:13:52: Krisenzustände, unterschiedliche Risikoexpositionen in der Folge.

00:13:57: Das bedeutet, man muss eigentlich eine zweite Koordinate eröffnen und gegen

00:14:01: die Branchen nochmal ein geografisches Profil legen.

00:14:05: Da ist der WWF Risk Filter ein häufig genutztes Tool und in der Kombination

00:14:11: beider Tools bekommt man, glaube ich, schon mal einen ganz guten Überblick.

00:14:14: Was da allerdings noch ausgespart wird, ist das, was bei der Klimakrise Scope 3 genannt wird.

00:14:20: Also alles, was nicht direkt durch die finanzierten Unternehmen oder in die

00:14:27: investiert wurde, verursacht wird an Schädigungen oder welche Abhängigkeiten vorliegen,

00:14:34: sondern dass man einmal ganz entlang der Wertschöpfungskette sich anschaut,

00:14:39: welche weiteren Schädigungen vorliegen.

00:14:40: Da gibt es auch mehrere Tools, Axio Base wäre da zu nennen und dieser Dreiklang

00:14:48: ist meines Erachtens schon mal ein guter Ausgangspunkt, um seine Kreditvergabe

00:14:53: einerseits zu überdenken.

00:14:55: Seine Assetallokation in den Eigenanlagen, Depot A, you name it,

00:15:00: zu überdenken und das Ganze dann auch in die Risikosteuerung,

00:15:06: ins Risikomanagement zu übertragen.

00:15:08: Diese Tools, vielleicht sollte ich noch hinzufügen, haben noch einige Kinderkrankheiten.

00:15:13: Manchmal kommen da Ergebnisse heraus, mit denen man relativ wenig anfangen kann,

00:15:18: die vielleicht bestimmte Dinge überdramatisieren, andere Dinge vielleicht gar

00:15:23: nicht adäquat abbilden können oder unberücksichtigt lassen.

00:15:27: Das heißt, solche Dinge sind sehr mit Vorsicht zu genießen.

00:15:32: Während wir sehr geringe Unsicherheiten haben bei den CO2-Äquivalenten,

00:15:37: kann da noch, je nach Branche, in der man tätig ist, relativ irreführende Resultate herauskommen.

00:15:44: Das heißt, Vorsicht an der Bahnsteinkante, was dann die neue Allokation angeht.

00:15:48: Johannes, gibt es denn auch Herausforderungen bzw.

00:15:52: Widerstände auf die Banken treffen können, wenn sie jetzt versuchen,

00:15:56: das Thema Biodiversitätskrise zu integrieren?

00:15:59: Ja, ich glaube, einerseits fragen sich noch viele Institute, muss das wirklich sein?

00:16:06: Muss ich meine Kredite nochmal neu bepreisen durch Biodiversitätsrisiken?

00:16:10: Bisher geht doch irgendwie noch alles gut. Also es fehlen vielleicht noch diese

00:16:14: aufrüttelnden Momente, wie jetzt beispielsweise die Flut im Ahrtal,

00:16:19: wie die Brände in den USA oder auch der Hurricane in Florida.

00:16:24: Das heißt, es wird noch nicht so schlagen. Das gilt nicht nur für Banken,

00:16:27: das gilt für Versicherungen gleichermaßen.

00:16:30: Auch die versichern ja beispielsweise den Wert von solchen Sicherheiten wie

00:16:35: Böden, wie Forstflächen etc.

00:16:39: Ernteausfallrisiken werden da versichert. Und da fehlen bisher noch diese Hallo-Wach-Effekte,

00:16:47: die einem nochmal ein ganz neues Krisenbewusstsein vermitteln.

00:16:52: Das heißt, aktuell wird noch so ein bisschen gefragt, was soll das Ganze?

00:16:56: Also ich mache das vielleicht gerne für eine verbesserte Reputation.

00:17:01: Für die regulatorische Compliance sowieso gar keine Frage.

00:17:07: Aber zumindest der kurzfristige wirtschaftliche Nutzen, der wird gerne noch in Frage gestellt.

00:17:12: Hinzu kommt, dass auch die regulatorische Compliance natürlich absolut unbeliebt ist.

00:17:18: Das bedeutet ja nicht nur, dass du als Bank ein Vielfaches an Daten mittlerweile

00:17:23: reporten musst, wenn jetzt noch die Biodiversitätskrise hinzukommt als viel

00:17:28: komplexere Krise als die Klimakrise.

00:17:31: Du musst ja auch viel mehr von deinen Kunden verlangen, was sie an Risiko Exposure

00:17:38: alles zur Verfügung stellen müssen.

00:17:41: Und ja, den Unmut kann ich ein Stück weit verstehen. Die Risikobewertung ist sehr komplex.

00:17:48: Man kennt vielleicht diese vier Klimaszenarien vom NGFS, wo geschaut wird,

00:17:54: was passiert, wenn sich die transitorischen Risiken verschärfen,

00:17:56: weil man die Klimakrise mit Macht angeht.

00:17:59: Oder wenn sich die physischen Risiken verschärfen, wenn man die Krise weiter

00:18:03: ignoriert oder nur geringfügig angeht.

00:18:07: Das dient auch als Blaupause für künftige Biodiversitätsszenarien,

00:18:12: aber die sind viel schwerer definierbar, viel schwerer rechenbar mit viel größeren

00:18:18: Unsicherheiten, mit viel größeren Datensammlungen zunächst und einem größeren

00:18:23: Reporting-Aufwand in der Folge.

00:18:26: Jetzt ist die Brüsseler Bürokratie natürlich nicht so ein Krebsgeschwür,

00:18:29: was da vor sich hin wuchert,

00:18:31: was man loswerden muss, sondern das ist erstmal ein Ausdruck von vierschichtigen

00:18:36: Interessen und natürlich müssen wir auf die Natur hören, nicht nur aus rein

00:18:42: wirtschaftlichen Gründen gedacht,

00:18:44: aber dass es da zu Unmut kommt, dass die Anforderungen immer, immer größer werden,

00:18:49: während sie wahrscheinlich jetzt in den USA noch weiter gelockert werden.

00:18:52: Denn gerade in diesem starken Kontrast machen wir uns nicht beliebt,

00:18:55: wenn wir mit dem Thema um die Ecke kommen und aufklären, was demnächst auf die

00:19:00: Banken zukommt. Das ist ganz klar.

00:19:02: Ja und was es dann ja auch noch komplexer werden lässt, das hatten wir ja auch

00:19:06: schon angesprochen, ist, dass es ja eben zwei große Themenblöcke gibt.

00:19:10: Einmal eben jetzt das Thema Biodiversitätskrise und einmal das Thema Klimakrise.

00:19:16: Da frage ich mich jetzt auch noch, was sind denn da potenzielle Interessenskonflikte,

00:19:20: die da auf Banken zukommen?

00:19:22: Also dass letztendlich ja für beide strenge ja jetzt auch regulatorische Vorgaben

00:19:27: existieren und dass beides dann zu stemmen, das stelle ich mir mitunter recht mühselig vor.

00:19:33: Ja, es ist genau wie du sagst, schon in Abwesenheit einer eindeutigen Metrik

00:19:38: sind diese beiden Krisen natürlich nicht miteinander vergleichbar.

00:19:42: Man muss sich nur den Lithiumabbau beispielsweise anschauen.

00:19:46: Die Elektrifizierung des automobilen Antriebs verschlingt ungeheure Ressourcen

00:19:52: an Lithium und das geht stark zu Lasten vor allen Dingen südamerikanischer Ökosysteme.

00:19:57: Da ist es schon nicht mehr so einfach zu sagen, wem leiste ich Vorschub?

00:20:02: Andere Beispiele aus der Energiewende, Wasserkraftwerke, ich muss einen großen

00:20:08: See anstauen und muss dabei gegebenenfalls ein lokales Ökosystem opfern.

00:20:14: Wie viel ist uns da die Energiewende wert, die Behebung der Klimakrise?

00:20:19: Also wenn in solchen Bereichen Investitionen getätigt werden,

00:20:24: dann entstehen ganz klar Zielkonflikte und wie gesagt,

00:20:29: ohne eine konkrete Metrik, um zwischen den Schädigungen der Arten einerseits,

00:20:36: der Ökosysteme und des Klimas andererseits wirklich quantitativ zu differenzieren,

00:20:41: wird es eine sehr große Herausforderung.

00:20:43: Und manchmal vielleicht auch einfach eine Bauchentscheidung.

00:20:46: Und dann nochmal konkret nachgefragt, wie würdest du sagen, können Banken das

00:20:52: dann für sich entscheiden?

00:20:53: Also gibt es da irgendwie Möglichkeiten oder Kennzahlen,

00:20:58: anhand derer sie dann entscheiden können, okay, jetzt geht man mal an der Stelle

00:21:03: mit der Klimakrise, an der Stelle mit der Biodiversitätskrise oder wie kann

00:21:09: man sich das vielleicht vorstellen?

00:21:11: Ja, die Hoffnung ist, dass da auch noch konkretere Guidelines folgen werden.

00:21:16: Also mit jedem Kunden, mit dem wir bisher darüber gesprochen haben,

00:21:21: haben wir diese Ratlosigkeit festgestellt.

00:21:23: Was mache ich in so einer Zwickmühle? Das mag viele Investitionsentscheidungen

00:21:29: gar nicht groß betreffen.

00:21:30: Und ich glaube, aktuell geht es sehr auf die Klimaseite, wenig auf die Biodiversitätsseite,

00:21:37: weil das kollektive Bewusstsein ist eben für die Klimakrise stärker und im Zweifel

00:21:43: ist die Reputationsschädigung da größer als in der Biodiversitätskrise.

00:21:48: Das mag sich in den kommenden Jahren ändern, gerade wenn nochmal nachgeschärft

00:21:52: wird in solchen Zielkonflikten.

00:21:54: Aber ich habe da tatsächlich auch keine einfache Antwort und mir ist noch bisher

00:21:59: auch keiner in den Diskussionen begegnet, der eine einfache Antwort dort liefern

00:22:04: konnte. Ich glaube nicht, dass diese einfache Antwort existiert.

00:22:08: Und ja, am Ende muss man so eine Art für alle verträgliche ESG-Synthese vielleicht

00:22:15: in der Strategie, im Risikomanagement formulieren.

00:22:18: Und das mag von Unternehmen zu Unternehmen, von Bank zu Bank eine unterschiedliche Policy sein.

00:22:25: Johannes, dann kommen wir auch zur letzten Frage. Und zwar, wenn man sich jetzt

00:22:30: mal anschaut mit Blick auf Klimakriterien, Klimarisiken, die finden ja schon

00:22:35: Anwendung in Risikoinventur,

00:22:39: in der Risikotragsfähigkeitsrechnung.

00:22:41: Wie würdest du sagen, sieht das deiner Meinung nach für Biodiversitätskriterien aus?

00:22:47: Wird das auch irgendwann zum Standard werden, dass das eben in den eben genannten

00:22:53: Punkten Anwendung findet oder meinst du, das ist nicht der Fall?

00:22:59: Ich glaube, viel wird da die politische Zukunft der EU auch entscheiden.

00:23:04: Wir haben jetzt erstmal diese Anleitung bekommen aus der neuen Eber-Guideline.

00:23:09: Die ist auch erstmal verpflichtend. Das heißt, Appell an erstmal alle systemrelevanten

00:23:15: Finanzinstitute wäre, es muss sich damit beschäftigt werden.

00:23:19: Das ist auch aufwendig. Das ist nichts, was man mal einem Nachmittag den Praktikanten

00:23:23: gibt. Aber wir kennen die Zukunft der EU nicht.

00:23:26: Es kann sein, dass es da demnächst wieder zu großen Rückschritten aus Sicht

00:23:33: der Natur, aus Sicht der Umweltschützer kommen wird.

00:23:36: Wir sehen aktuell, wie per Dekret wesentliche Errungenschaften von Klima- und

00:23:42: Umweltschutz in den USA binnen eines Tages durch eine Unterschrift aufgelöst werden können.

00:23:47: Das heißt, am Ende liegt es in der Hand der europäischen Demokratien,

00:23:54: der Vierstimmigkeit in der Diskussion um den Artenschutz, um den Klimaschutz.

00:23:59: Aber im Business-as-usual-Szenario, wenn wir sagen, diese Regulationen bleiben

00:24:04: bestehen oder werden sogar verschärft, dann ist das ein Thema,

00:24:07: wo jetzt die größeren und mittelfristig auch die kleineren Institute sich nicht verdrücken können.

00:24:13: Und das aus, ich glaube, es wurde hoffentlich klar in diesem Podcast, aus sehr guten Gründen.

00:24:19: Das ist doch ein gutes Schlusswort, Johannes.

00:24:22: Ich danke dir vielmals für deine Zeit heute und für die Einblicke, die du uns gegeben hast.

00:24:27: Ich danke dir, Madita. Hat mich sehr gefreut. Dann bis zum nächsten Mal.

00:24:30: Bei Fragen und Kommentaren. Die Kontaktdaten von Johannes und mir sind in der

00:24:35: Episodenbeschreibung und auch der Link zu der angesprochenen Biodiversitätsstudie von ZDB.

00:24:41: Feedback, Meinungen und Kommentare könnt ihr uns auch gerne über Social Media dalassen.

00:24:46: Wenn es euch gefallen hat, abonniert gerne den Podcast, lasst eine Bewertung

00:24:51: da und empfehlt ihn gerne weiter.

00:24:53: Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal bei ZDB Sound of.

00:24:57: Music.

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